Das Programmheft
Das Programmheft, das zu jeder neuen Inszenierung herausgegeben wurde, verlangte dem Dramaturgen und dem Grafiker den Einsatz ihres ganzen Könnens, ihrer Energie, ihrer Sorgfalt und Nervenkraft ab. Dem Dramaturgen oblag es, Texte zu redigieren, die einerseits über die sozialpolitischen Aspekte und Hintergründe der Zeit informierten, in der das Stück entstand, aber auch über die Rezeption des Theaterwerks in den verschiedenen Epochen und nicht zuletzt über die dramaturgischen Schwerpunkte der aktuellen Inszenierung. Der Grafiker setzte das "Material" in eine grafische Form um, die einem hohen ästhetischen Niveau entsprechen musste. Das setzte besondere dramaturgische und gestalterische sowie typografische Kenntnisse voraus, in Hinblick auf das ungewöhnliche Format, das auch eine besondere buchbinderische Verarbeitung verlangte.
Eine besondere Rolle spielte der Zeitfaktor. Der Dramaturg musste die vereinbarten Abgabetermine seiner Texte einhalten, der Grafiker dafür Sorge tragen, dass die technischen Bedingungen erfüllt wurden. Das beinhaltete die Suche nach einer Druckerei, die über das nötige Papierkontingent verfügte und im Stande war, den Auftrag termingerecht und in der erwünschten Qualität zu liefern.
Das klingt einfacher als es tatsächlich war.
In allen Großdruckereien hatten die Partei-Aufträge unbedingten Vorrang. So konnte es geschehen, dass bei unvorhergesehenen politischen Ereignissen das eigene Anliegen in undurchschaubare Ferne entrückte.
Erst wenn der Lieferwagen der Druckerei in den Theaterhof rollte, waren wir diese Sorge los, wenigstens bis zum Beginn der Arbeit an der nächsten Inszenierung. Dass es uns immer wieder gelang, rechtzeitig zur Premiere die Programmhefte dem Abendpersonal übergeben zu können, lag daran, dass die Verschiebung des Premierentermins keine Seltenheit war und dass ich, auf der Suche nach der geeigneten Druckerei, die langen Wege nach Thüringen, Sachsen oder Mecklenburg nicht scheute.
Die Auflagenhöhe bewegte sich zwischen 10000 und 30000 Exemplaren. Auch hier war weise Voraussicht angebracht, um so wenig Makulatur wie möglich anfallen zu lassen, sollte ein Stück aus "technischen Gründen" abgesetzt werden.